Mittwoch, 16. November 2011

Ansprache eines Juristen

just18
Die Beschwerde-, Einspruchs-, Widerspruchs- oder auch Klagebefugnis ist einer der wichtigsten Elemente aus dem deutschen Prozessrecht. Diese Befugnis kann nur geltend machen, wer glaubhaft behauptet, in eigenen subjektiven Rechten unmittelbar verletzt zu sein. Es soll sich also nicht ein Unbeteiligter, der selbst nicht oder nur entfernt betroffen ist, zum Anwalt fremder Interessen aufschwingen. In dem hier relevanten Bereich des öffentlichen Rechts, speziell im Bereich der Grundrechte, würde es sich um ein sog. Abwehrrecht handeln, mit dem der Grundrechtsträger vom Staat, in diesem Fall von der Gemeinde Berg bzw. dem Landkreis Starnberg, das Unterlassen von Eingriffen in seinen ganz persönlichen geschützten Freiheitsbereich verlangen kann.
Die Anregungen und Bedenken von mittlerweile zahlreichen Umweltverbänden zum Schutze von Mensch, Natur und Tierarten im Zusammenhang mit dem hier relevanten Bau von WKA werden tunlichst im Flächennutzungsplan, dem Bebauungsplan und der einzelnen Baugenehmigung abgewägt und berücksichtigt, sind jedoch kein subjektives Recht eines Einzelnen. Auch gibt es kein subjektives Recht des einzelnen Grundstücksbesitzers auf unverbauten Horizont, das fängt bereits bei der baurechtlich zulässigen Höhe und der Dachform des Nachbargebäudes an. Ob die Gerichte wegen der Anzahl der Dezibel, der vermeintlich gesundheitsschädlichen Einwirkung von Infraschall oder der Unverträglichkeit und Unzumutbarkeit eines temporären Schattenschlages an sonnigen Tagen im November und Februar bei einer Entfernung der Windräder von 1.200 Meter die Verletzung eines subjektiven Rechts einräumen, bleibt abzuwarten. Ich vermute, dass das bei dieser Entfernung eher nicht der Fall sein wird. Aber bei Gericht und auf hoher See …
Die Fronten der Befürworter und Gegner sind unversöhnlich und das wird auch wohl so bleiben. So bleibt es den Gegnern nur, den Klageweg zu beschreiten. Deren Anwälte, sofern sie denn seriös sind, klären hoffentlich rechtzeitig auf über die mäßigen Erfolgsaussichten. Eine durchaus denkbare und friedliche Alternative ist deshalb, sich auf die Seriosität der Verwaltung und des Gemeinderats einzulassen, die den Teufel tun werden, den Berger und Neufahrner Bürger über den Tisch zu ziehen, sondern alles daran setzen, zum Wohle der Einwohner zu entscheiden, bzw. möglicherweise gefühlte negative Auswirkungen auf den Einzelnen zu minimieren. Im September 2012 sind Bürgermeister- und 2014 Kommunalwahlen in Berg.

Eine historische Sitzung des Gemeinderates

Es war eine historische Sitzung, nicht unbedingt eine Lehrstunde in Demokratie, aber eine Demonstration von Entschlossenheit, Geschlossenheit und einer funktionierenden Verwaltung. Am Ende hatte der Gemeinderat 73 Mal einstimmig für die Vorschläge der Verwaltung gestimmt, die an diesem Abend (die SPD fehlte vollständig, die CSU halb) 73 mal 15 Stimmen erhielt und somit 1095 mal das Vertrauen der Berger Räte für eine Mammutleistung ausgesprochen bekam. Das dürfte eine historische Bestmarke in einer Sitzung sein, in der am Ende sogar noch das Internet für die Gemeindepolitik erfunden wurde.

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Eine bis vor kurzem unbekannte Region macht Karriere

Ohne jede Gegenstimme und ohne jede Diskussion wurde gestern der Teilflächennutzungsplan für Windkraftanlagen beschlossen, und jede der Einwendungen gegen das Projekt vom Gemeinderat - so wie von der Verwaltung minutiös erarbeitet - beachtet, eingearbeitet oder abgelehnt.

In einer Sisyphusarbeit hatten Alex Reil und sein Team 49 inhaltsschwere Seiten vorgelegt, auf denen die Einwendungen gegen die Beschränkung von Windkraftanlagen auf die Wadlhauser Gräben minutiös abgearbeitet wurden. Am 14.12. letzten Jahres hatte der Gemeinderat von Berg dieses Projekt beschlossen.

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Vor der Sitzung: Neufahrner staunen über Pläne

Wie gesagt: 73 Beschlüsse und Stellungnahmen waren notwendig. Der geheime Star der Sitzung wurden dann bislang ungekannte Lebewesen wie die Gelbbauchunke, das Große Mausohr oder die sicherlich wunderschöne Wimpernfledermaus, auf deren Belange ebenso Rücksicht genommen wurde wie auf die Angst vor dem (unhörbaren) Infraschall.

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Einer von 73 Beschlüssen: Bombina variegata, die Gelbbauchunke, die erwähnend in den Teilflächennutzungsplan aufgenommen wurde (Photo: Waugsberg)

BM Monn hatte zu Anfang der Sitzung, in der es - abgesehen von einem kleinen, von der CSU losgetretenen Disput darüber, ob Fledermäuse die Autobahn fliegend entlang von Brücken oder lieber mittels Unterführung überqueren (beides scheint der Fall zu sein) - von einer Mitternachtssitzung gesprochen. So schlimm wurde es nicht. Im Wechsel trugen der Bürgermeister und sein Amtsleiter Reil die 49 Seiten umfassenden Beschlussvorlagen wortwörtlich vor (sie brauchten dafür exakt 122 Minuten). Um 21.20 Uhr gab es den historischen Fall, dass der 3. BM Steigenberger für 4 Minuten die Sitzung leiten musste (BM Monn verließ kurz den Saal, 2. BM Brunnhuber (SPD) war wie seine gesamte Fraktion abwesend).

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Transparenz pur: Sogar das Photographierverbot im Rat war gestern aufgehoben

Trotz des Besucheransturms blieb es bei der manchmal absurd entschlossenen Sitzung bis auf wenige Zwischenrufe und höhnisches Gelächter ruhig auf den Zuschauerrängen: "Reines Showbusiness hier" - "Lächerlich" - "Die verarschen dich, ich hör mir den Schmarrn nicht länger an".

Drei oder vier wirklich wichtige Entscheidungen gab es an dem Abend aber doch:

1. Wie die QUH bereits berichtet hat, werden die WKAs um Neufahrn auf einen Winkel von 75 Grad begrenzt (und somit die BN genannten Flächen auf der unteren Karte ausgeschlossen).
2. Auch der zuvor nur 600 m entfernte Gemeindeteil Martinsholzen wird wegen der - neu entdeckten - "bedeutsamen Wanderachse" im Lüß- und Hälsbachtal mehr als 1000 m von der Windkraftkonzentrationsfläche entfernt sein (die Windkraftkonzentrationsfläche wird 1000 m von diesem Weg entfernt erst beginnen; s.u. das Gebiet LB-L)).
3. Der Gemeinderat beschloss einstimmig, einen Bebauungsplan aufzustellen, um innerhalb der Konzentrationsflächen wirklich nur 4 Windräder zu ermöglichen. Und zwar in diesen 4 Arealen:

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Gegen Ende der Sitzung gab es dann noch den komödiantischen und den futuristischen Höhepunkt der Sitzung: Ein Rechtsanwaltsbüro wollte einen Verfahrensfehler konstruieren, weil die Unterlagen in Zimmer 14 und nicht in Zimmer 13 (wie in der Bekanntmachung geschrieben) ausgelegt worden waren. Das Gremium beschloss einstimmig, diesen unerhörten Vorgang zur Kenntnis genommen zu haben und dass für Abhilfe gesorgt worden war: "Herr Christian hat bei einer entsprechenden Anfrage bei Zimmer 13 auf die Auslegungsunterlagen in Zimmer Nr. 14 hingewiesen." (Einstimmig so angenommen)

Nach 122 Minuten wurde dann der vorletzte Beschlussvorschlag zur Kenntnis genommen, der eine kleine Revolution darstellt: "Bei der Auslegung vom 24.11.-28.12.2011 werden die kompletten Unterlagen auch über das Internet einsehbar sein." - Ja ist denn die QUH schon im Amt?

Good Job!

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